Wikingeriaden

Scan_Pic0018Wenig Zeit in einem fremden Land oder einer unbekannten Kultur führt zu einem Brennglasblick, der schnelle (und natürlich völlig überzogene) pseudoethnografische Thesen produziert. Norweger sind groß. Alles Wikinger – bis auf ein paar Trolle. Das sind die Kleinen mit den lustigen Gesichtern. Und sie kuscheln gern, fassen alles an, was sich bewegt und lebt. Zumindest tun sie das in den Bars auf dem Fährschiff. Wir kommen irgendwann zu dem Schluss, dass das der Jahresausflug eines Swinger-Clubs sein müsste, so wie hier Männlein und Weiblein sich durcheinander und geschlechterübergreifend begrabbeln. Es sind aber nur Teilnehmer einer norwegischen „Country-Cruise“, die zeitgleich mit unserer Überfahrt stattfindet. Das erklärt auch die Cowboyhüte, Leder-Chaps und sonstige Wild-West-Dinge, die die Fröhlichen am Leib tragen. Dass das Kuscheln eine norwegische Kulturform ist, legt auch die begehbare Riesenskulptur von Gustav Vigeland nahe. Da wird gegrabbelt und umschlungen was das Zeug hält. Eine sehr haptische Kultur.

Der mitreisende Bruder und ich denken: Wahrscheinlich war auch die mittelalterliche Angst vor den Wikingern nur einem Missverständnis geschuldet. Die wollten nur spielen und kuscheln – und die kleinen Mittelalter“germanen“ haben das falsch verstanden, sich vor den Großen gefürchtet und zurückgehauen. Aus sprachlichem Unvermögen haben die Wikinger dann halt gemordet und gebranndschatzt. Nicht schön, aber andere Umgangsformen halt. Heute sprechen sie aber alle (tatsächlich unglaublich gutes) Englisch. Mit der Lingua Franca der Moderne kommt man überall gut durch. Keine Axt- oder Keulenschwing-Gefahr in Sicht.

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