Unterwegsworte – begannen als Kurznachrichten, die auf Reisen entstehen. Von unterwegs an Freunde verschickt.
15.8. 2014 Per Bahn nach Verona: Die Greise in meinem Abteil sind mutig. Sie essen Eierbrote. Vielleicht sind sie aber auch nur nasentaub (oder heißt das schwerriechig?). Überhaupt sind diese unnötigen Sechs-Personen-Abteile für taub-blinde, kurzbeinige Märchenzwerge konstruiert. Anderswer kann das nämlich nicht wirklich ertragen! Warum die Bahn mich in sowas steckt, obwohl ich immer und ausschließlich Großraum bestelle, ist mir ein Rätsel!
Es gibt Eierbrot-Regeln, und die 1. lautet: Nie im vollbesetzten Bahnabteil essen, wenn man nicht genug Eierbrot für alle hat! Eiergeruch für alle ist kein akzeptabler Ersatz!
Ich fahre südwärts durch trübes Regenland. Immer, wenn es landschaftlich hübsch zu werden verspricht, haben sie das Land untertunnelt. Gefühlte 70 % der Strecke sind unterirdisch. Ankunft Verona heute Abend 20:56.
13:55 Ab Augsburg wird es fremdländisch. Die Durchsage der kommenden Stationen erfolgt in wunderbar weißwurstigem Oberbayerisch. Irritierte Blicke bei den Mitreisenden, hysterisches Gekicher bei den Hamburger Deerns im Nebenabteil, die sich das erstmal übersetzen müssen. Am Horizont zeigen sich erste Berge. Hirschgeweihe an den Hauswänden.
15:45 Rosenheim: Zwiebeln türmen himmelwärts, Berge halten sich am Echo fest. Verirrte Wolkenfetzen haben sich in den Wipfeln verfangen wie sommerliche Vorboten des ersten Schnees.
Ich genieße die Aussicht auf Gebirge! Endlich! Himmelstürmend…
Dämmerung: Aufwachen in Bozen, das nun natürlich Bolzano heisst. Eine freundliche Nonne guckt ins Abteil, italienisch.
Der Tag schwindet und ich habe die Berge so ziemlich verschlafen. Die Abteilsprache hat sich von Deutsch längst ins Italienische verschoben. Erste Sprachübungen mit dem Schaffner, das eingerostete rollende R abstauben. Urlaub im Ohr! Und gerade kommt die Nachricht: in Verona wird mich Susanne am Bahnhof abholen.