Ins Blaue

Von Viktring3825678997 aus lernt man unwillkürlich Klagenfurts Randbereiche kennen. Der Bus sagt die Haltestelle “Schaumgasse” an, die Gegend widerspricht dem fluffigen Namen. An der Ecke neben dem Gebrauchtwagenhandel ist der Grill “Beim Batic”. Die Ansagestimme ist weiblich, den Bus fährt ein Mann und ich frage mich, warum das so ist. Starre derweil die schräg vor mir Sitzende an, sehr türkisblaues Kleid mit schwarzen Blumen, höchst dramatisch, das schüttere Haar mit einer großen blauen Blumenspange am Hinterkopf zusammengefasst. Darunter kaskadiert alte Haut über den kahlen Nacken zu den Schultern hin. Über der Hinterkopfblöße thront die blaue Blume und scheint im Rhythmus der Fahrt zu kichern.

Alpenländische Rundfahrt

Die Österreicher haben mitunter einen etwas speziellen Umgang mit ihrer Landesgeographie. „Im Raume lesen wir die Zeit“, schrieb Karl Schlögel. Im österreichisch-geographischen Raum lassen einen die Bahnstreckenplaner Zeit im Wortsinn erFAHREN: Der Zug zum Wiener Flughafen fährt ab Klagenfurt über Salzburg nach Wien. Das ist etwa so, als ob man von München über Berlin nach Stuttgart führe. Eine ordentliche Runde also.  „Aber naa!“ retourniert der österreichische Begleiter. „Wir Österreicher sind touristenfreundlich. Rundfahrt muss sein!“ Klar, muss sein!

Unterwegs nach Verona…

Unterwegsworte – begannen als Kurznachrichten, die auf Reisen entstehen. Von unterwegs an Freunde verschickt.

15.8. 2014 Per Bahn nach Verona: Die Greise in meinem Abteil sind mutig. Sie essen Eierbrote. Vielleicht sind sie aber auch nur nasentaub (oder heißt das schwerriechig?). Überhaupt sind diese unnötigen Sechs-Personen-Abteile für taub-blinde, kurzbeinige Märchenzwerge konstruiert. Anderswer kann das nämlich nicht wirklich ertragen! Warum die Bahn mich in sowas steckt, obwohl ich immer und ausschließlich Großraum bestelle, ist mir ein Rätsel!

Es gibt Eierbrot-Regeln, und die 1. lautet: Nie im vollbesetzten Bahnabteil essen, wenn man nicht genug Eierbrot für alle hat! Eiergeruch für alle ist kein akzeptabler Ersatz!

Ich fahre südwärts durch trübes Regenland. Immer, wenn es landschaftlich hübsch zu werden verspricht, haben sie das Land untertunnelt. Gefühlte 70 % der Strecke sind unterirdisch. Ankunft Verona heute Abend 20:56.

13:55 Ab Augsburg wird es fremdländisch. Die Durchsage der kommenden Stationen erfolgt in wunderbar weißwurstigem Oberbayerisch. Irritierte Blicke bei den Mitreisenden, hysterisches Gekicher bei den Hamburger Deerns im Nebenabteil, die sich das erstmal übersetzen müssen. Am Horizont zeigen sich erste Berge. Hirschgeweihe an den Hauswänden.

15:45 Rosenheim: Zwiebeln türmen himmelwärts, Berge halten sich am Echo fest. Verirrte Wolkenfetzen haben sich in den Wipfeln verfangen wie sommerliche Vorboten des ersten Schnees.

Ich genieße die Aussicht auf Gebirge! Endlich! Himmelstürmend…

Dämmerung: Aufwachen in Bozen, das nun natürlich Bolzano heisst. Eine freundliche Nonne guckt ins Abteil, italienisch.

BolzanoNonne

Der Tag schwindet und ich habe die Berge so ziemlich verschlafen. Die Abteilsprache hat sich von Deutsch längst ins Italienische verschoben. Erste Sprachübungen mit dem Schaffner, das eingerostete rollende R abstauben. Urlaub im Ohr! Und gerade kommt die Nachricht:  in Verona wird mich Susanne am Bahnhof abholen.

 

Neulich in Baku 1

Leere Bahnsteige, leere Gleise, keine Lautsprecherdurchsage, fast gespenstische Stille liegt über dem Bahnhof. Es gibt nicht einmal einen Fahrplan. Aber auf den Bänken sitzen Menschen.  Das scheint man hier am Bahnhof so zu tun, man kommt, setzt sich an die stillen Gleise, wartet ein wenig und geht dann wieder nach Hause. Draußen trubelt es, die zentrale Metrostation, Shoppingcenter, Kino, Kentucky-Fried-Chicken im historischen Gebäude, dort ist Bewegung. Der Bahnhof selbst ist ein Hort der Ruhe und des Stillstandes. Die wenigen Züge kommen nur früh morgens und abends. Und der Wartesaal ist groß, schön, bunt und leer. „Hier könnte man gut feiern“, sagt mein Begleiter, Und wir machen es wie die Bakuwiner draußen am Bahnsteig, setzen uns hin und warten ein bisschen.  Auf nichts.