Fliegender Klangteppich

Istanbul Moschee1Lichtblau der Novemberhimmel, die Luft wie ein leuchtgrauer Abglanz der Iznik-Fayencen, der blauen Kacheln. Der Freitag weitet sich zeitlos zwischen Hagia Sophia, Blauer Moschee, Firuz Aga Cami (Moschee); verwirbelt fliegende Händler, Pilger, zum Gebet Eilende, Bettler, verliebte  Paare, zankende Paare und Touristen mit ein paar nur zu erahnenden Sonnenstrahlen zu einem sinnlichen Welt-Teppich, zu einer virtuosen Klangschale, in der sich die Muezzin-Rufe aus den umliegenden Moscheen fangen, vereinen und die Seele weit machen. Gefühl: eine wilde Mischung aus pseudo-orientalischem Kindertraum von Aladin aus Tausend und einer Nacht und den Eulenspiegeliaden des Nasreddin Hodscha.

Köder & Fische

Istanbuld Brücke1  Istanbul Brücke2

Auf der Galata-Brücke bilden die Ruten der Angler ein bizarres Geäst. Dicht an dicht. Ihre Köderfische glotzen leicht blöde aus den Bechern. Köderverkäufe, fein säuberlich Istanbul Brücke 3aufgereiht. Und wir lassen uns als echte Touristen ködern: Dem vorbeieilenden Schuhputzer fällt eine Bürste aus der Kiepe, direkt vor unsere Füße. Bücken, aufheben, hinterherlaufen, Bürste zurückgeben sind eins. Wild gestikulierend dankt der ambulante Sauberkeitsmann und drängt uns einen Schuhputz auf. Als Dankeschön, so scheint es. Sprachblöde können wir uns des türkischen Wortschwalls nicht erwehren und lassen das flüchtige Schrubben über uns ergehen. Als mein Begleiter sein Hosentaschengeld zückt, greift der Schuhputzer (wir haben immerhin „Anatolien“ und „Kind im Hospital“ verstanden) einen großen Schein –  und fordert noch mehr. Verblüfft und lachend lehnen wir ab. Jetzt fällt mir auch wieder ein, was „nein“ und „danke“ heißt. Zu spät. Wir haben über 20 Euro fürs Schuheputzen bezahlt.

Aber ich finde, wir haben alles richtig gemacht: Als anständiger Tourist hat man ein Recht darauf, auch mal übers Ohr gehauen zu werden. Und als anständiger Schuhputzer aus Anatolien in der großen Stadt hat man wahrscheinlich ein Recht darauf, verträumte Touristen in der Abenddämmerung schnell mal um ein paar Euros zu erleichtern. Passt also alles.

Zur Belohnung gibt’s Balik-Ekmek, Fisch im Fladenbrot, frisch vom kleinen Fischmarkt neben der Brücke. Hier treiben auch viele Männer mit Angelruten von Stand zu Stand. Ob sie wohl auf dem Heimweg noch schnell ihren „Fang des Tages“ kaufen?

Istanbul Fischmarkt2Istanbul Fischmarkt1

Unterwegs nach Istanbul…

Später November. Morgens um 5 am Flughafen Hannover. Ich erfahre von der Prosecco-Trinkerin am Nebentisch, dass man von Salat Gicht bekommt: “Weißte, das ist mit die Harnsäure, wenn de Salat und so’n Zeuchs isst, von den Tomaten schnellt die Harnsäure so nach oben!” Und schnell noch ihre Wassertablette hinuntergespült…

Immerhin reist das Militär in voller Montour auch mit im kleinen Hopper nach Paris. Ich kann mich nicht entscheiden, ob mich das beruhigen oder beunruhigen sollte, Kampfanzüge in Wüsten-Tarnoptik in winzigen Linienmaschinen. Der Mann – mit militärischen Rängen kenne ich mich nicht aus – in Blauhelm-Mission erfreut mich eine gute Stunde später nach den Landung in Paris mit dem wunderbaren Satz: “Ich wohne in der West-Sahara”.