Das Schloss mit König drin leuchtet hell von Fern über die Flaniermeile. Gemütliche Menschen, volle Straßencafés, alles wirkt sehr gelassen. Ins Trottoir sind große Messingplatten mit Ibsen-Zitaten eingelassen. Die Titel der zitierten Werke kann ich mir übersetzen, aber ohne Norwegischkenntnisse scheitere ich an den Inhalten. Scheint eine literarische Stadt zu sein… Und wir amüsieren uns in unserer völligen Unkenntnis über die Sprache: „Ledige“ Parkhäuser sind zu befahren, der Schmierstoff „Öl“ meint Bier (mit durchgestrichenem O geschrieben), „Fiskekaker“ bringen mich zum Lachen und der Tag beginnt mit einer „Frokost“. Jeg snakker ikke norsk. Oslo macht Lust auf mehr Norwegen.
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Wikingeriaden
Wenig Zeit in einem fremden Land oder einer unbekannten Kultur führt zu einem Brennglasblick, der schnelle (und natürlich völlig überzogene) pseudoethnografische Thesen produziert. Norweger sind groß. Alles Wikinger – bis auf ein paar Trolle. Das sind die Kleinen mit den lustigen Gesichtern. Und sie kuscheln gern, fassen alles an, was sich bewegt und lebt. Zumindest tun sie das in den Bars auf dem Fährschiff. Wir kommen irgendwann zu dem Schluss, dass das der Jahresausflug eines Swinger-Clubs sein müsste, so wie hier Männlein und Weiblein sich durcheinander und geschlechterübergreifend begrabbeln. Es sind aber nur Teilnehmer einer norwegischen „Country-Cruise“, die zeitgleich mit unserer Überfahrt stattfindet. Das erklärt auch die Cowboyhüte, Leder-Chaps und sonstige Wild-West-Dinge, die die Fröhlichen am Leib tragen. Dass das Kuscheln eine norwegische Kulturform ist, legt auch die begehbare Riesenskulptur von Gustav Vigeland nahe. Da wird gegrabbelt und umschlungen was das Zeug hält. Eine sehr haptische Kultur.
Der mitreisende Bruder und ich denken: Wahrscheinlich war auch die mittelalterliche Angst vor den Wikingern nur einem Missverständnis geschuldet. Die wollten nur spielen und kuscheln – und die kleinen Mittelalter“germanen“ haben das falsch verstanden, sich vor den Großen gefürchtet und zurückgehauen. Aus sprachlichem Unvermögen haben die Wikinger dann halt gemordet und gebranndschatzt. Nicht schön, aber andere Umgangsformen halt. Heute sprechen sie aber alle (tatsächlich unglaublich gutes) Englisch. Mit der Lingua Franca der Moderne kommt man überall gut durch. Keine Axt- oder Keulenschwing-Gefahr in Sicht.
Unterwegs nach Oslo
Ich mag „Meer“ in allen Erscheinungsformen. Gern auch wild und ungestüm. Und „auf dem Wasser sein“ ist eh großartig! Das Oberdeck ist voll mit eingemummelten Schaulustigen. Trotz Sonne sorgt der Fahrtwind für Auffrischung und zerzauste Köpfe. Schön das! Netterweise tutet das schwimmende Hotel auch ganz seemännisch, als es aus der Kieler Förde ausläuft. Nebel wäre passend gewesen. Und jetzt nach Amerika schippern, sagt die Phantasie. Das Ticket sagt: Einmal Oslo und zurück.
Eine Fähre mit Übernachtungsmöglichkeit wird unversehens zum „Kreuzfahrtschiff“, wenn die innere Ausstattung ein ganz eigenes Universum vorstellt. Nicht umsonst heißt das Schiff „Color Line“. Da glimmert und glitzert es ungemein! Und natürlich kann allerhand Zeugs in allerhand Läden gekauft werden. Unter anderem „Polar-Snack“, getrocknete Fischstückchen, die nur mit viel Bier durch den Hals gehen. Dann aber gut. Ein Essen, dem man die Einsamkeit dunkler, kalter Nächte in wenig besiedelten Gebieten anschmeckt.
Draußen ziehen Schiffe vorbei und Inseln, deren Namen wir nicht kennen. Südländisch geprägte Unkenntnis der Reisenden, die sich auch nicht durch einen Blick auf die Schiffsroute beheben lässt. Ist das nun Dänemark da draußen oder schon Schweden? Und wo fängt Norwegen an? Wieso ist da überhaupt so viel Land? Wir kommen uns etwas blöde vor und gucken weiter ganz entspannt auf die Ostsee, die sich zum Abend hin mit einem hübschen Sturm und einem veritablen Gewitter schmückt.