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Kulinarische Grenzgängerei… Von Austern bis Balut
Ekel kann ein aufregendes, ja fast erregendes Gefühl sein. Zumal im kulinarischen Bereich. Nah an der Scham und vom Abscheu weit genug entfernt, dass ein proto-lüsternes Schaudern sich ausbreiten kann. Wie sonst ist der Voyeurismus der Dschungel-Camp-Gucker zu erklären?
Und gewinnt der Genuss von Austern nicht durchaus auch durch die Überwindung eines zarten Ekels seinen Reiz? Das kalte, zuckende Fleisch einer Moluske sich einzuverleiben. Oder Carpaccio, das stets leicht blutig schmeckt und den Carnivoren in uns wach küsst.
Eigentlich lebe ich mit dem Vorsatz, Neugier und Erfahrungslust dem Ekel vorzuziehen, und sei es nur für einen Bissen, eine kleine Verkostung. Sandwurm und Glasaal-Kanapée fanden so ebenso den Weg durch meinen Schlund, wie Lunge, paniertes Euter oder gebratenes Kalbshirn. Ein Biss davon eben, nichts überzeugte zu mehr. Der Seeigel-Sushi, Glibber am Stück und dann das Gefühl, einen Ozean verschluckt zu haben, war durchaus interessant. Und Casu Marzu, jener verbotene Hirtenkäse den ich im toskanischen Apennin versuchen durfte, der erst dann essreif ist, wenn er von kleinen, weißen Maden bewohnt wird, habe ich mit viel Wein hinuntergespült. Okay, nicht ohne zu versuchen, von den Gastgebern unbemerkt die eine oder andere Made vom Teller zu schubsen.
An meine Grenzen brachte mich jedoch Balut, eine philippinische Spezialität: Angebrütetes Entenei, das in Meerwasser gekocht wird. Fliegende Händler bieten sie feil. Ich habe beim Essen zugesehen. Entenembryo. Kopf und Körper, große Augen, Schnabel, Federflaum, alles gut sichtbar. Die ganze Zeit habe ich mich gefragt, ob Schnabel und Knochen beim Kauen krachen, knirschen, Knuspergefühle auslösen. Oder ob Federflaum zwischen den Zähnen hängen bleibt. Ich glaube, ich habe den Essenden angestarrt und in meinem Gesicht ein Feuerwerk von Mikro-Expressionen in Sachen Ekel abgefeuert. Hier hat allein das Zuschauen meine Neugier mehr als befriedigt.