Berlin – Herbstsonate mit Absinth

AbsinthHerbstsonate – Corinna Harfouch und Frizzi Haberland „spielen sich ums Leben“ wie die Begleiterin treffend bemerkt. Das Bühnenbild mutet an wie eine begehbare Grafik von M.C. Escher, auf der die Schauspieler umherirren – zielgenau. Wir sind geflasht von soviel Intensität und Darstellungskunst.

Danach Absinth-Bar in Mitte, goldene Tapete hinter Flaschenbatterien, Ansiduft rauchgeschwängert und der französische Beherrscher des Wunderortes trifft mit der Auswahl unserer Absinthe ideal den je individuellen Geschmack. Es „vangoght“ leicht im Oberstübchen. Theater und Bar verweben sich in unseren Köpfen zu einem stimmigen Gesamtgefühl. Berlin um Mitternacht.

Köder & Fische

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Auf der Galata-Brücke bilden die Ruten der Angler ein bizarres Geäst. Dicht an dicht. Ihre Köderfische glotzen leicht blöde aus den Bechern. Köderverkäufe, fein säuberlich Istanbul Brücke 3aufgereiht. Und wir lassen uns als echte Touristen ködern: Dem vorbeieilenden Schuhputzer fällt eine Bürste aus der Kiepe, direkt vor unsere Füße. Bücken, aufheben, hinterherlaufen, Bürste zurückgeben sind eins. Wild gestikulierend dankt der ambulante Sauberkeitsmann und drängt uns einen Schuhputz auf. Als Dankeschön, so scheint es. Sprachblöde können wir uns des türkischen Wortschwalls nicht erwehren und lassen das flüchtige Schrubben über uns ergehen. Als mein Begleiter sein Hosentaschengeld zückt, greift der Schuhputzer (wir haben immerhin „Anatolien“ und „Kind im Hospital“ verstanden) einen großen Schein –  und fordert noch mehr. Verblüfft und lachend lehnen wir ab. Jetzt fällt mir auch wieder ein, was „nein“ und „danke“ heißt. Zu spät. Wir haben über 20 Euro fürs Schuheputzen bezahlt.

Aber ich finde, wir haben alles richtig gemacht: Als anständiger Tourist hat man ein Recht darauf, auch mal übers Ohr gehauen zu werden. Und als anständiger Schuhputzer aus Anatolien in der großen Stadt hat man wahrscheinlich ein Recht darauf, verträumte Touristen in der Abenddämmerung schnell mal um ein paar Euros zu erleichtern. Passt also alles.

Zur Belohnung gibt’s Balik-Ekmek, Fisch im Fladenbrot, frisch vom kleinen Fischmarkt neben der Brücke. Hier treiben auch viele Männer mit Angelruten von Stand zu Stand. Ob sie wohl auf dem Heimweg noch schnell ihren „Fang des Tages“ kaufen?

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Unterwegs nach Oslo

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Ich mag „Meer“ in allen Erscheinungsformen. Gern auch wild und ungestüm. Und „auf dem Wasser sein“ ist eh großartig! Das Oberdeck ist voll mit eingemummelten Schaulustigen. Trotz Sonne sorgt der Fahrtwind für Auffrischung und zerzauste Köpfe. Schön das! Netterweise tutet das schwimmende Hotel auch ganz seemännisch, als es aus der Kieler Förde ausläuft. Nebel wäre passend gewesen. Und jetzt nach Amerika schippern, sagt die Phantasie. Das Ticket sagt: Einmal Oslo und zurück.

Eine Fähre mit Übernachtungsmöglichkeit wird unversehens zum „Kreuzfahrtschiff“, wenn die innere Ausstattung ein ganz eigenes Universum vorstellt. Nicht umsonst heißt das Schiff „Color Line“. Da glimmert und glitzert es ungemein! Und natürlich kann allerhand Zeugs in allerhand Läden gekauft werden. Unter anderem „Polar-Snack“, getrocknete Fischstückchen, die nur mit viel Bier durch den Hals gehen. Dann aber gut. Ein Essen, dem man die Einsamkeit dunkler, kalter Nächte in wenig besiedelten Gebieten anschmeckt.

Draußen ziehen Schiffe vorbei und Inseln, deren Namen wir nicht kennen. Südländisch geprägte Unkenntnis der Reisenden, die sich auch nicht durch einen Blick auf die Schiffsroute beheben lässt. Ist das nun Dänemark da draußen oder schon Schweden? Und wo fängt Norwegen an? Wieso ist da überhaupt so viel Land? Wir kommen uns etwas blöde vor und gucken weiter ganz entspannt auf die Ostsee, die sich zum Abend hin mit einem hübschen Sturm und einem veritablen Gewitter schmückt.

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Neulich am Silbersee

…nein, nicht der von Karl May mit dem Schatz, obwohl mir jener „Silbersee“ meine erste Augenentzündung wegen Leseüberanstrengung eingetragen hat. Aber da dachte ich auch noch, dass Pirat oder Indianer ein prima Berufsziel für ein Mädchen wäre. Also, um den Winnetou- Silbersee geht es nicht.

Sondern um den Silbersee bei Celle, der ein fast kreisrundes, moosgrünes Gewässer ist, ein Badesee mit bester Sommerferienatmosphäre. Und wenn man schon mit einer Freundin „Sommerferien“ spielt, so richtig mit Radfahren und Badengehen und Sonnencreme und so, dann muss man nach dem Schwimmen unbedingt Pommes essen. Das gehört sich so!

Allein schon die Gastronomiebaracke im besten 70er Jahre Stil ist eine Attraktion. Die Damen vom Grill, oder besser gesagt die Damen von der Friteuse tun ein Übriges in Sachen Zeitreisegefühl. Schön, dass dann auch die Pommes Zeitreisende waren. Sie leben dort in einer viereckigen Plastikschüssel, wie Camper sie gern zum Abwaschen nehmen, und warten den lieben langen Tag aufs Verzehrtwerden. Wenn sie den Wärmetest beim Serviertwerden nicht überstehen – und der Test geht so: beim Befüllen der Pappschälchen (natürlich mit bloßen Händen und am besten jede Fritte einzeln angefasst) steckt die Friteusendame eines der Kartoffelstäbchen in den Mund, um zu testen, ob die Dinger nur kalt oder schon zu kalt sind – also, wenn sie diesen Test nicht bestehen, dann werden die Pappschälchen-Pommes wieder zu den Plastikschüssel-Pommes zurückgeschüttet und allesamt erneut in der Friteuse versenkt. Fritten-Recycling. Wir haben die Dinger trotzdem gegessen, um wenigstens diesen zwei Portionen das ewigwährende Wiederauffrittiertwerden zu ersparen.

Dass die Fritteusendame den Wunsch nach Ketchup mit den Worten beiseite wischte „der schmeckt nicht“ und die Pommes trotz „Stop“ und „bitte nicht“ in flüssigem Curry-Ketchup ertränkte, konnten wir nur noch mit albernem Gekicher quittieren. Beim Schwimmen danach haben wir sicher ganz hübsche Fettaugen gehabt, auf dem Silbersee, bei Celle.

Reise-Kaffee… aus Uganda

Kaffee verbindet. Nirgends kann man so gut dem Leben in einer fremden Stadt zusehen, wie von einem Straßencafé aus, als unbeobachtete Beobachterin. Mein Freund Andreas und ich schicken uns von Reisen immer Kaffeetassenbilder. Nicht die gängigen Sehenswürdigkeiten oder lokale Besonderheiten, nein, unsere Kaffeemomente. Ich habe von ihm Kaffetassenbilder aus der Karibik, aus Leipzig oder  von Mallorca – und nun aus Uganda. Ja, die Bilder sind fast austauschbar, auch wenn die (auf dem Bild unsichtbare) Umgebung unterschiedlicher nicht sein könnte.

Nun hat er mir Pulverkaffee aus Uganda mitgebracht. „Der schmeckt echt sensationell“. Er weiß, dass ich eine Kaffee-Sissi bin, am liebsten nur reinen Arabica trinke und Robusta-Bohnen hasse, Filterkaffee aus der Kaffeemaschine meide wie die Pest. Die rot-gelbe Dose steht nur wie die Verheißung von Ferne, von Afrika und dem Erleben fremder Welten in meiner Küche. Allein schon beim Ansehen bekomme ich glückliches Fernweh. Mein Kopf reichert die Erinnerung an seine Reisebilder mit Klang und Geschmack an, und meine Phantasie lässt die Kaffeedose zu einer verheißungsvollen Glücksversion der Büchse der Pandora werden, die die Essenz jener afrikanischen Region freisetzen wird – sobald ich sie öffne. Bittersüß und tiefdunkel. Unterwegs-sein nur mit den Geschmacksnerven.

 

Kulinarische Grenzgängerei… Von Austern bis Balut

Ekel kann ein aufregendes, ja fast erregendes Gefühl sein. Zumal im kulinarischen Bereich. Nah an der Scham und vom Abscheu weit genug entfernt, dass ein proto-lüsternes Schaudern sich ausbreiten kann. Wie sonst ist der Voyeurismus der Dschungel-Camp-Gucker zu erklären?

Und gewinnt der Genuss von Austern  nicht durchaus auch durch die Überwindung eines zarten Ekels seinen Reiz? Das kalte, zuckende Fleisch einer Moluske sich einzuverleiben. Oder Carpaccio, das stets leicht blutig schmeckt und den Carnivoren in uns wach küsst.

Eigentlich lebe ich mit dem Vorsatz, Neugier und Erfahrungslust dem Ekel vorzuziehen, und sei es nur für einen Bissen, eine kleine Verkostung. Sandwurm und Glasaal-Kanapée fanden so ebenso den Weg durch meinen Schlund, wie Lunge, paniertes Euter oder gebratenes Kalbshirn. Ein Biss davon eben, nichts überzeugte zu mehr. Der Seeigel-Sushi, Glibber am Stück und dann das Gefühl, einen Ozean verschluckt zu haben, war durchaus interessant. Und Casu Marzu, jener verbotene Hirtenkäse den ich im toskanischen Apennin versuchen durfte, der erst dann essreif ist, wenn er von kleinen, weißen Maden bewohnt wird, habe ich mit viel Wein hinuntergespült. Okay, nicht ohne zu versuchen, von den Gastgebern unbemerkt die eine oder andere Made vom Teller zu schubsen._DSC9304

An meine Grenzen brachte mich jedoch Balut, eine philippinische Spezialität: Angebrütetes Entenei, das in Meerwasser gekocht wird. Fliegende Händler bieten sie feil. Ich habe beim Essen zugesehen. Entenembryo. Kopf und Körper, große  Augen, Schnabel, Federflaum, alles gut sichtbar. Die ganze Zeit habe ich mich gefragt, ob Schnabel und Knochen beim Kauen krachen, knirschen, Knuspergefühle auslösen. Oder ob Federflaum zwischen den Zähnen hängen bleibt. Ich glaube, ich habe den Essenden angestarrt und in meinem Gesicht ein Feuerwerk von Mikro-Expressionen in Sachen Ekel abgefeuert. Hier hat allein das Zuschauen meine Neugier mehr als befriedigt.