Neulich am Silbersee

…nein, nicht der von Karl May mit dem Schatz, obwohl mir jener „Silbersee“ meine erste Augenentzündung wegen Leseüberanstrengung eingetragen hat. Aber da dachte ich auch noch, dass Pirat oder Indianer ein prima Berufsziel für ein Mädchen wäre. Also, um den Winnetou- Silbersee geht es nicht.

Sondern um den Silbersee bei Celle, der ein fast kreisrundes, moosgrünes Gewässer ist, ein Badesee mit bester Sommerferienatmosphäre. Und wenn man schon mit einer Freundin „Sommerferien“ spielt, so richtig mit Radfahren und Badengehen und Sonnencreme und so, dann muss man nach dem Schwimmen unbedingt Pommes essen. Das gehört sich so!

Allein schon die Gastronomiebaracke im besten 70er Jahre Stil ist eine Attraktion. Die Damen vom Grill, oder besser gesagt die Damen von der Friteuse tun ein Übriges in Sachen Zeitreisegefühl. Schön, dass dann auch die Pommes Zeitreisende waren. Sie leben dort in einer viereckigen Plastikschüssel, wie Camper sie gern zum Abwaschen nehmen, und warten den lieben langen Tag aufs Verzehrtwerden. Wenn sie den Wärmetest beim Serviertwerden nicht überstehen – und der Test geht so: beim Befüllen der Pappschälchen (natürlich mit bloßen Händen und am besten jede Fritte einzeln angefasst) steckt die Friteusendame eines der Kartoffelstäbchen in den Mund, um zu testen, ob die Dinger nur kalt oder schon zu kalt sind – also, wenn sie diesen Test nicht bestehen, dann werden die Pappschälchen-Pommes wieder zu den Plastikschüssel-Pommes zurückgeschüttet und allesamt erneut in der Friteuse versenkt. Fritten-Recycling. Wir haben die Dinger trotzdem gegessen, um wenigstens diesen zwei Portionen das ewigwährende Wiederauffrittiertwerden zu ersparen.

Dass die Fritteusendame den Wunsch nach Ketchup mit den Worten beiseite wischte „der schmeckt nicht“ und die Pommes trotz „Stop“ und „bitte nicht“ in flüssigem Curry-Ketchup ertränkte, konnten wir nur noch mit albernem Gekicher quittieren. Beim Schwimmen danach haben wir sicher ganz hübsche Fettaugen gehabt, auf dem Silbersee, bei Celle.

Kulturelle Landpartie – Campingplatz Gartow-Laasche

Wendland-Zelt

Allein zelten ist merkwürdig. Camper sind merkwürdig. Allein ein Zelt aufstellen (zumal wenn Frau sich blöd anstellt) ist sehr merkwürdig!

Nachdem ich ein erkleckliches Weilchen für allseitige Kurzweil gesorgt hatte mit meinem Kampf mit viel Stoff und zu wenig Gestänge, beschloss ich, die amüsiert zuschauenden Camper (siehe oben!) in das Herumgewurstel mit einzubeziehen: “Sie schauen mir so schön kompetent zu. Da traue ich mich, Sie um kompetente Hilfe zu bitten.” Zwei Bäuche mit zwei Bärten erbarmten sich. Ob es das Testosteron war oder das unterstützende Bier, wage ich nicht zu sagen. Das nomadische Nachtasyl war schließlich in voller Größe und mit fachkundiger Hilfe aufgebaut.

Später war dann nur noch massives Vogelgezwitscher, polyphones Froschkonzert und fernes Donnergrummeln. Das Gewitter zog  hübsch wetterleuchtend vorbei. Und morgens gab es bei strömendem Regen ein klassisches Frühstück im kleinen Campingplatzlokal, in echter Hotelqualität. Wendlandstimmung…

Neulich in Cala d’Or … Bei Fernando

Kamasutra-Hemd

Kamasutra-Hemd

Urlaubseinkäufe sind meist von einer leichtfüßigen Euphorie beseelt. Der entspannte Blick macht die Dinge schöner und lässt oft genug Unnützes attraktiv und brauchbar erscheinen. Diese Dinge nennt man dann später „Souvenirs“.

Und man möchte den Leib auch mit Sonne und Meer und Leichtigkeit aus den örtlichen Boutiquen kleiden: Wunderbar Blau das Hemd und das kleine, unregelmäßige Muster tanzt weiß über den Stoff. Später am Tag wird das Hemd dann noch schnell gekauft, der erste Anschein war überzeugend genug.

Abends, man sitzt längst bei Fernando unter den großen Schirmen bei mallorquinischem Rosé, Meeresgetier auf dem Teller, entspannt der Sängerin lauschen und die Seele baumeln lassen. – Und dann fällt der tiefenentspannte Blick fokussiert auf das neue blaue Hemd mit seinem weißen Muster… bleibt an den Bildchen, die da plötzlich sind, hängen und das Hirn brauch einen Moment, die auf der Netzhaut aufschlagenden Wahrnehmungen als das zu entschlüsseln, was man da zu sehen glaubt, was man plötzlich erkennt! Huch! DIESE Figuren in diesen Zweisamkeits-Positionen waren da aber vorher noch nicht drauf, schwört die Erinnerung, die flüchtige. Wir haben es dann das „Kamasutra-Hemd“ getauft.

Neulich in Cala d’Or

Malle-Bucht2

Der Bootsanleger ist ein kleines Stückchen Beton auf den scharfkantigen Klippen, gerade breit genug für die Gangway. Türkisblau und Smaragdgrün schimmert das Meer. Zwischen Pinien und Palmen strahlen weiße Häuser vom Fels, südsommerlich. Schnell sind die anderen Touristen auf dem Katamaran“ Starfish“ vergessen. Und wir haben Glück: eine feine Nebelbank liegt noch träge von der Nacht vor der Bucht, genau in unserem Fahrwasser. Wie ein Weichzeichner aus sonnendurchflortem Zartgrau lässt sie Fels und Meer verschwimmen und legt einen feinen kühlen Niesel über Brillen und Haut. Die Tätowierungen der Engländerinnen in ihren Trägerhemdchen bekommen ein hübsches Gänsehautmuster. Nah und Fern verschwimmen. Misty and mysteriously.

„Riechst Du das Meer?“ fragt mein Begleiter leise. Ich atme Meer mit Sonne. Es ist wie schwimmen, tauchen und fliegen zugleich.

Reise-Kaffee… aus Uganda

Kaffee verbindet. Nirgends kann man so gut dem Leben in einer fremden Stadt zusehen, wie von einem Straßencafé aus, als unbeobachtete Beobachterin. Mein Freund Andreas und ich schicken uns von Reisen immer Kaffeetassenbilder. Nicht die gängigen Sehenswürdigkeiten oder lokale Besonderheiten, nein, unsere Kaffeemomente. Ich habe von ihm Kaffetassenbilder aus der Karibik, aus Leipzig oder  von Mallorca – und nun aus Uganda. Ja, die Bilder sind fast austauschbar, auch wenn die (auf dem Bild unsichtbare) Umgebung unterschiedlicher nicht sein könnte.

Nun hat er mir Pulverkaffee aus Uganda mitgebracht. „Der schmeckt echt sensationell“. Er weiß, dass ich eine Kaffee-Sissi bin, am liebsten nur reinen Arabica trinke und Robusta-Bohnen hasse, Filterkaffee aus der Kaffeemaschine meide wie die Pest. Die rot-gelbe Dose steht nur wie die Verheißung von Ferne, von Afrika und dem Erleben fremder Welten in meiner Küche. Allein schon beim Ansehen bekomme ich glückliches Fernweh. Mein Kopf reichert die Erinnerung an seine Reisebilder mit Klang und Geschmack an, und meine Phantasie lässt die Kaffeedose zu einer verheißungsvollen Glücksversion der Büchse der Pandora werden, die die Essenz jener afrikanischen Region freisetzen wird – sobald ich sie öffne. Bittersüß und tiefdunkel. Unterwegs-sein nur mit den Geschmacksnerven.

 

Kulinarische Grenzgängerei… Von Austern bis Balut

Ekel kann ein aufregendes, ja fast erregendes Gefühl sein. Zumal im kulinarischen Bereich. Nah an der Scham und vom Abscheu weit genug entfernt, dass ein proto-lüsternes Schaudern sich ausbreiten kann. Wie sonst ist der Voyeurismus der Dschungel-Camp-Gucker zu erklären?

Und gewinnt der Genuss von Austern  nicht durchaus auch durch die Überwindung eines zarten Ekels seinen Reiz? Das kalte, zuckende Fleisch einer Moluske sich einzuverleiben. Oder Carpaccio, das stets leicht blutig schmeckt und den Carnivoren in uns wach küsst.

Eigentlich lebe ich mit dem Vorsatz, Neugier und Erfahrungslust dem Ekel vorzuziehen, und sei es nur für einen Bissen, eine kleine Verkostung. Sandwurm und Glasaal-Kanapée fanden so ebenso den Weg durch meinen Schlund, wie Lunge, paniertes Euter oder gebratenes Kalbshirn. Ein Biss davon eben, nichts überzeugte zu mehr. Der Seeigel-Sushi, Glibber am Stück und dann das Gefühl, einen Ozean verschluckt zu haben, war durchaus interessant. Und Casu Marzu, jener verbotene Hirtenkäse den ich im toskanischen Apennin versuchen durfte, der erst dann essreif ist, wenn er von kleinen, weißen Maden bewohnt wird, habe ich mit viel Wein hinuntergespült. Okay, nicht ohne zu versuchen, von den Gastgebern unbemerkt die eine oder andere Made vom Teller zu schubsen._DSC9304

An meine Grenzen brachte mich jedoch Balut, eine philippinische Spezialität: Angebrütetes Entenei, das in Meerwasser gekocht wird. Fliegende Händler bieten sie feil. Ich habe beim Essen zugesehen. Entenembryo. Kopf und Körper, große  Augen, Schnabel, Federflaum, alles gut sichtbar. Die ganze Zeit habe ich mich gefragt, ob Schnabel und Knochen beim Kauen krachen, knirschen, Knuspergefühle auslösen. Oder ob Federflaum zwischen den Zähnen hängen bleibt. Ich glaube, ich habe den Essenden angestarrt und in meinem Gesicht ein Feuerwerk von Mikro-Expressionen in Sachen Ekel abgefeuert. Hier hat allein das Zuschauen meine Neugier mehr als befriedigt.

Neulich in Baku 2

Es gibt zwei Gesten, die man in Baku sofort lernt, wenn man weder Aserbaidschanisch noch Russisch noch Türkisch spricht: Überkreuzte Arme heißt entweder geschlossen oder verboten (kommt sehr oft vor) und eine geschlängelte Tauchbewegung mit der Hand signalisiert „Unterführung“. Die ist lebensnotwendig, um im höchst kreativen Stoßverkehr lebend durch die erratische Blechlawine zu kommen. Für Touristen kann das regelwidrige Straßenüberqueren nicht nur gefährlich sondern auch kostspielig  sein: Bei einem Betreuungsverhältnis von 5:1 kann man sicher sein, dass in Sichtweite ein Polizist steht. Umgerechnet 200.- bis 400.- Euro soll so ein Regelverstoß kosten. Einheimische lösen das Überqueren allerdings ähnlich kreativ wie den Umgang mit Verkehrsregeln, die es sicher auch hier gibt: Man schließt sich in Grüppchen zusammen, eng, fasst sich bisweilen an den Händen und stürzt sich als Menschenpulk in den Verkehr, erzwingt sich qua Masse den Weg auf die andere Seite. Eine Methode, die übrigens auch zum Überqueren der mehrspurigen Stadtautobahn angewandt wird.

Neulich in Baku 1

Leere Bahnsteige, leere Gleise, keine Lautsprecherdurchsage, fast gespenstische Stille liegt über dem Bahnhof. Es gibt nicht einmal einen Fahrplan. Aber auf den Bänken sitzen Menschen.  Das scheint man hier am Bahnhof so zu tun, man kommt, setzt sich an die stillen Gleise, wartet ein wenig und geht dann wieder nach Hause. Draußen trubelt es, die zentrale Metrostation, Shoppingcenter, Kino, Kentucky-Fried-Chicken im historischen Gebäude, dort ist Bewegung. Der Bahnhof selbst ist ein Hort der Ruhe und des Stillstandes. Die wenigen Züge kommen nur früh morgens und abends. Und der Wartesaal ist groß, schön, bunt und leer. „Hier könnte man gut feiern“, sagt mein Begleiter, Und wir machen es wie die Bakuwiner draußen am Bahnsteig, setzen uns hin und warten ein bisschen.  Auf nichts.