Am Ende sind alle tot und dazwischen haben sie schön gesungen – Tosca in der Arena in Verona

„Was passiert da gerade? Was singen die da?“ Der 11jährige Sohn von Freunden kann die englischen Obertitel auf den LED-Anzeigen in der Arena nicht lesen. Also souffliere ich ihm grob, was auf der Bühne (mit eher uninspiriertem Bühnenbild) passiert. Kurz zusammengefasst: Sie hatten Heimlichkeiten und politische Zwiste, es gab Gute und Böse, zwei haben sich geliebt, es gab Eifersucht und Intrigen und einer wollte „Liebe“ (also, naja, Sex) von Tosca gegen das Leben ihres geliebten Künstlers tauschen. Am Ende sind alle tot und dazwischen haben sie schön gesungen. So in etwa. Beeindruckend war das Solo eines Jungen. Respekt, vor so vielen Menschen zu singen und zu spielen. Er war auch der Star des Abends, was der eitle Tenor im Schlussapplaus weidlich für sich nutzte. Soviel schmonzettenhafte Gockelei habe ich noch nie auf einer Bühne gesehen.

Die Signora auf den Gradini hinter uns hatte das mittlerweile herrschende Essensverbot umgangen und knisterte und knusperte den ganzen Abend aus der Chipstüte in ihrer Handtasche. Und irgendwie war das ganz passig, so insgesamt.Giacomo Puccini:Tosca in der Arena, VeronaAbendlicher Blick in die Arena di Verona

Pesina – Lago di Garda

Sommermorgen, früh, in der Dorfbar. Wettergegerbte alte Männer rufen sich beim Frühkaffee Neuigkeiten aus der Zeitung zu, von Tisch zu Tisch.

3 Hausfassaden mit geschlossenen Fensterläden, nur in einem Fenster des linken Hauses ist ein großer, runder Kaktus zu sehen.

Sommerlich verschlossene Fassaden, nur ein Kaktus hält Wacht.

Einzelne Mopeds schnattern die Straße entlang, hin und wieder schlurft ein verlorenes „Buongiorno“ vorbei.

Und der Kaktus in der Fassade gegenüber aalt sich einsam in der Sonne, die auch vor 9 Uhr schon lautstark brennt. Zikadenkonzert liegt über allem und der Duft eines heißen Sommertags.

Abends beim Aperitivo wird der Kaktus noch immer dastehen, wie im vergangenen Jahr auch.

 

 

Lob der Luftmatratze oder wenn Touristen plantschen

IMG_20210731_153544San Vigilio, Bucht zwischen Torri und Garda. Da schwimmt ein ganzes Abendessen im See – ein Hummer, eine Ananas, ein Pizzastück und sogar eine Brezel – aufblasbar. Das braune wulstige Ding habe ich erst für einen Scheißhaufen (mit Verlaub) gehalten, für ein schwimmendes Kack-Emoji. Teutonischer Urlaubshumor, befremdlich halt, aber nicht unverständlich. Immerhin hat ein amerikanischer Ethnograph die Neigung der Deutschen zu Kot und Unterleiblichem (in der Sprache) festgestellt. Als ich beim näheren Hinschauen dann das große Braune als Brezel-Luftmatratze erkannte, war ich doch irgendwie ganz froh.

Schlagerwasser

157239171Der Wörthersee ist ein echtes Schlagerwasser. In Pörtschach legt das Ausflugsschiff am „Peter-Alexander-Steg“ an, in Velden behauptet eine Büste, Roy Black darstellen zu wollen. Und das fünfsternige Schlosshotel ist nicht nur Wahrzeichen von Velden und serienberühmte Filmkulisse, sondern war für viele Jahre der Lieblingsferienort von Udo Jürgens- wie der Kapitän des Ausflugsschiffes am Steg verkündet. Und er muss es ja wissen! Das ein oder andere Schlager-Sternschnüppchen war sicher auch schon da. So ein bisserl geblümter Kitsch-Glamour passt ganz gut in diese protoalpine Idylle mit Berg und Sommerfrische. ‚Aber bitte mit Sahne‘.

Gehen am Berg – Nunatak

Love - Campo di Brenzone

Love – Campo di Brenzone

Gehen am Berg. Unten der See, unter den Füßen ein Hang des Monte Baldo. Der Bergrücken ist ein Nunatak. Wirklich! Ich liebe dieses Wort. Es klingt nach Karl May oder nach James Fenimore Cooper, nach den „Indianerbüchern“ der Kindheit. Nunatak heißt aber, dass der Berg nicht ganz von der Eiszeitdecke bedeckt war und so auf seinem Rücken Vegetation überlebt hat, die sonst vom Eis gefressen worden wäre. Voreiszeitliche Botanik in einem heutigen Garten. Von seinen Hängen schaut man ins Adige-Tal oder auf den Lago di Garda, auf Olivenhaine und das lombardische Ufer. Und weil es einem dabei so im Herz warm wird, hat im verlassenen Dorf Campo di Brenzone jemand Liebe in den Horizont gestellt. In großen roten Buchstaben.

Whale watching mit Los Oceanos

Zehn MCopy 3350647632_resized_20180814_062127025enschen, Captain und Guide Melanie auf einem kleinen, offenen kanarischen Fischerboot in rot, weiß, blau. Vier Stunden Ausfahrt bei rauer See. Melanie verteilt Seekrankheitspillen und zeigt, wo die Schwimmwesten sind, “und wenn Ihr müsst, dann haben wir hier einen Eimer. Bitte über die Reeling ausschütten und und ausspülen. Viel praktischer geht es aber, wenn Ihr einfach über die Reeling macht. Hose runter und rüberhalten und entspannen. Das geht ganz wunderbar!”  Auf unserer Ausfahrt haben wir zwar zwei sehr Seekranke, mehrere leicht Seekranke und keine Wal-Sichtung zu verzeichnen, aber aufs ‘s Klo muss (oder traut sich) niemand.

1062031712Später in der Hafenbar frage ich den wettergegerbten Kapitän Volker, wie oft den dieses “über-die-Reeling-Klo” genutzt würde. Pragmatisch antwortet er:”Also wenn ich muss, ich gehe IMMER hinten am Heck, ich muss ja das Ruder halten. Die Bordwand wird heute aber seltener zum Pinkeln genutzt als früher. Überhaupt sind die Menschen weniger offen als früher, auch beim Nacktbaden und so.” Sagt’s und verschwindet hinter der Tür mit dem Caballeros-Zeichen.

Ich bin allerdings froh, dass mich meine großmütterlich beeidigten Piratengene (der Familienlegende nach sind wir nämlich mit Klaus Störtebecker verwandt) vor Seekrankheit und sonstigem Unbill an Bord bewahrt haben.

 

La Gomera – Fiesta del Carmen

FiestFiesta del Carmena del Carmen in Valle Gran Rey. Den Carmen-Teil nimmt man nicht so genau, eine Marienstatue ist es nämlich, die in buntgeschmückten Booten aufs Meer zur Prozession gefahren wird.

Der Fiesta-Teil ist dafür um so ernster gemeint! Was ich mit meinen schwäbisch-katholischen Reflexen erst für leichte Blasphemie halte, dass die ersten Prozessionsboote mit wummernden Beats und betanzt von Leichtbekleideten partymäßig wieder im Hafen anlanden, ist einfach nur die Fiesta, die sich dann sogar auf dem Prozessionsweg zum Hafenkirchlein hin fortsetzt und ausbreitet. Nur dass die Electro-Drums jetzt durch die archaisch anmutenden Handtrommeln ersetzt werden, die den Schritt der Prozessionstänzerinnen und Tänzer lenken. Der Tanz erinnert mich eher an ein indianischCopy 536881302_resized_20180810_075530075es Pow Wow denn an irgeCopy 936542558_resized_20180810_075440955ndetwas Katholisches. Die erstaunliche Mischung aus Mojito-seeliger Sommerparty und religiöser Feierlichkeit nimmt uns so gefangen, dass sogar mein protestantisch sozialisierter Begleiter interessiert dem spanischen Gottesdienst unter freiem Himmel folgt. Lange hängen am Fels noch die sichtbaren Spuren der Böllerschüsse. “Viva el Carmen”

 

 

Ins Blaue

Von Viktring3825678997 aus lernt man unwillkürlich Klagenfurts Randbereiche kennen. Der Bus sagt die Haltestelle “Schaumgasse” an, die Gegend widerspricht dem fluffigen Namen. An der Ecke neben dem Gebrauchtwagenhandel ist der Grill “Beim Batic”. Die Ansagestimme ist weiblich, den Bus fährt ein Mann und ich frage mich, warum das so ist. Starre derweil die schräg vor mir Sitzende an, sehr türkisblaues Kleid mit schwarzen Blumen, höchst dramatisch, das schüttere Haar mit einer großen blauen Blumenspange am Hinterkopf zusammengefasst. Darunter kaskadiert alte Haut über den kahlen Nacken zu den Schultern hin. Über der Hinterkopfblöße thront die blaue Blume und scheint im Rhythmus der Fahrt zu kichern.

Berlin – Herbstsonate mit Absinth

AbsinthHerbstsonate – Corinna Harfouch und Frizzi Haberland „spielen sich ums Leben“ wie die Begleiterin treffend bemerkt. Das Bühnenbild mutet an wie eine begehbare Grafik von M.C. Escher, auf der die Schauspieler umherirren – zielgenau. Wir sind geflasht von soviel Intensität und Darstellungskunst.

Danach Absinth-Bar in Mitte, goldene Tapete hinter Flaschenbatterien, Ansiduft rauchgeschwängert und der französische Beherrscher des Wunderortes trifft mit der Auswahl unserer Absinthe ideal den je individuellen Geschmack. Es „vangoght“ leicht im Oberstübchen. Theater und Bar verweben sich in unseren Köpfen zu einem stimmigen Gesamtgefühl. Berlin um Mitternacht.

Verona – Aida

Arena Verona1Von den „billigen“ Plätzen der Arena in Verona hat man eine wunderbare Aussicht über das gesamte Theaterrund, auf die Bühne und auf die nächtlichen Altstadtdächer. Und die uralten Steinstufen sitzen sich erstaunlich bequem, wenn man sich ein anlassgemäß kitschiges Sitzkissen gekauft hat. Eines mit Arena-Bild und Julia-Schmacht-Balkon darauf, so richtige für Touristen. Allerdings straft der Aufstieg in die oberen Ränge für meine Eitelkeit, unbedingt die neuen, schicken, hohen italienischen Sommerschühchen tragen zu müssen. Also würdevoll und mit Bedacht schreiten, oder besser gesagt erklimmen.

Die ambulanten Händler verkaufen „veganes Wasser“, vorurteilsgerecht betrachten sich die asiatischen Touristen das Spektakel quasi ausschließlich fotografierend und filmend auf den Displays ihrer Mobilgeräte und der Mond leuchtet wie bestellt groß, sommernachtsgelb und romantisch in die Arena. Mitten in das finale Piano (die Priester haben sich zur Urteilsfindung tief in die Kulissen zurückgezogen und singen quasi aus dem off) platzt ein fieses Brummen, an- und abschwellend. Eine Drohne kreist über der Arena, hält inne, kehrt zurück. Wachsende Unruhe unter den Zuschauern, einige suchen Schutz in den Abgängen. Mehrfach kommt das Brummsedings zurück und zieht Kreise. Wahrnehmbare Unruhe nun auch im Orchestergraben. Der gesungenen Tragödie gesellt das Kopfkino wohl allenthalben aktuelle Katastrophenszenarien bei. Nicht schön.

Die italienischen Zeitungen wissen später dann zu berichten, es sei ein amerikanischer Tourist gewesen, der sich die Oper und das zuhörende Volk mal von oben betrachten wollte. So für sich ganz allein. Verhaftet haben sie ihn erst mal trotzdem, die Carabinieri.

Herzbaracke- Anderwelt in Rapperswil

Ich mag es, wenn es schwierig wird. Heute wird alles immer nur gleich gemacht. Immer nur Tulpen, das ist doch langweilig. Ich bin ein bunter Blumengarten! Ich liebe das Chaos!“ Mit ausgebreiteten Armen steht Federico, der Impresario und Erschaffer, der Erträumer und Beleber der Herzbaracke im Raum und begrüßt das Publikum. Rot und Samt, Antiquitäten, charmanter Trödel, Kronleuchter und zwischen den Tischen Telefonbilder_September2016 779rascheln die bauschigen Röcke der Schiffsdamen, die Speisen und Getränke bringen, Rosen im Haar.

Der Begleiter ordert Champagner, etwas anderes käme uns an diesem Ort nicht in den Sinn, denn man muss sich an dem perlenden Getränk festhalten, um nicht los zu schweben und aus der Phantasmagorie zu erwachen, aus der der heutige Abend gesponnen ist. Der Regen trommelt aufs Deck, Wind  verwirbelt den See und zerrt an den Tauen. „Ne me quite pas“… und wir glauben dem Sänger irgendwann wirklich, dass er Jaques Brel sein könnte, vielleicht, und der ganze Raum ist samtrot erleuchtet und vibriert. “ Perles de pluie“ – Perlen aus Regen. Da hat sich einer seinen schwimmenden Traum geschaffen, den er leben will, funkelnd bunt und sinnlich. Und wir Drei vom Schiff mittendrin.Telefonbilder_September2016 778Telefonbilder_September2016 790

Greyhound Baltimore-New York

Es gibt eine goldene Greyhound-Regel: Setze Dich nicht in die Nähe der Bordtoilette. Eine weitere Regel lautet: Wenn man zu spät einsteigt, wird man genau diesen Platz ergatterTelefonbilder_September2016 1016n. Toll. Den kurzen Gedanken, die Toilettengänge der Mitreisenden mit Sätzen wie „Wow, that was a good one!“ oder „Please don’t stink“ zu kommentieren, gleich wieder verworfen. Dafür war das Bordprogramm um so unterhaltsamer. Der Busfahrer geriet mit einem Mitreisenden in Streit. Am Hoboken-Tunnel mit Blick auf Manhattan erwartete uns dann eine veritable Polizeisperre mit Warnhütchen, quergestellten Autos und Geblinke, zog den betreffenden Passagier aus dem Bus und bot eine schicke Verhaftungsshow mit allem drum und dran. Durch die Busfenster betrachtet wirkte die Szene wie aus einer TV-Krimiserie. Alle Polizisten hatten irische oder italienische Namen, bewegten sich breitbeinig und mit männlicher Bodenhaftung, am Gürtel beschwert durch Holster, Marke, Schlagstock, Funkgerät, baumelnde Handschellen… so in der Art. Wie im Film halt. Nur die riechbare Anspannung war echt.

Im Gegensatz Telefonbilder_September2016 996zu meinen Mitreisenden habe ich mich nicht getraut, meinem  Voyeurismus per Smartphone Raum zu geben. Also: die anderen beim verschämt-lüsternen Filmen beobachtet. Der vor mir Sitzende tippt zwischendurch whatsapp Botschaften auf chinesisch und ich frage mich, wie das geht mit „lateinischer“ Tastatur und über 1000 Wort-Bild-Zeichen.

Baltimore – Hometown der Serie Homicide

Telefonbilder_September2016 1005Das Air BnB in der Nähe der John Hopkins Universität sieht zauberhübsch aus, ist aber nur tagsüber in einer sicheren Gegend. Nachts sollte ich ein Taxi nehmen und nicht auf der Straße herumlaufen, auch nicht von der Bushaltestelle hierher, rät der Vermieter im Gehen. Na klasse. Dickschädelig halte ich mich nicht daran. Allein der Gang zum Sandwichladen 100 Meter die Straße runter wird zur cultural experience. Das Weiß meiner Haut fällt auf, mein Fremdsein. Die Brille, Kleidung, Körperhaltung alles europäisch. „Leben viele schwarze Menschen in Deutschland?“ und dann „do you like black guys“? Ich kann das Angesprochenwerden nicht einordnen, ist das Anmache oder will jemand da nur auf unbeholfene Weise nett sein? Oder vielleicht meinen Rassismusfaktor austesten?

Den Weg zum Liquor Store, um ein Bier zum Sandwich zu kaufen, lässt mich der schwarze Hausverwalter dann nicht mehr alleine gehen. „Well, you know, there are some deals, like a little bit of dope or cocaine, weapons“… und als Fremde würde ich wie eine billige Geldquelle wirken.

Mein erster Gedanke: Ich bin doch keine Sissi die man beschützen müsste. Widerwillig stimme ich der Begleitung zu. Wenn man mich einmal mit ihm sehen würde, dann wüssten die Leute, dass sie mir nichts tun dürften, meint er. Okay. Der Liquor Store, anderthalb Blocks die Straße runter, wirkt wie aus einem miesen Ghetto-Film entsprungen. Vergitterte Verkaufsschalter, Panzerglas, der Verkaufsraum, der eher einer Wildwest-Miniatur-Schalterhalle gleicht, ist voll mit abgelebten Gestalten, aufgedunsen, gehetzte Blicke, Gier, kaum gezügelte Aggressivität gegen alles und nichts. Armut, Not und Sucht machen zornig. Ich würde gern gucken, beobachten, starren. Eine versteckte Kamera wäre jetzt großartig! Schwer identifizierbare Körpergerüche stehen fest im Raum, Angst, Bratfett, Urin, Kot, Schmutz, Fusel, billiges Parfüm. Weiß bin nur ich. Die Andere. Die Fremde. Fehl am Platz. Und ich bin tatsächlich froh, dass Ray mich nicht allein gehen ließ.

Nur am Hafen gibt Baltimore vor, eine nette Stadt zu sTelefonbilder_September2016 1050ein.

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Washington DC – Von Helden und Unholden

Die amerikanische Reisebegleiterin ist schon in New York wegen eines familiären Notfalles zurück nach St. Louis gereist. Also reise ich unbegleitet weiter ich fühle mich in der  eigentlich gemeinsamen Reisestation Washington DC gestrandet, irgendwie verloren. Da heißt es, sich an Museen festhalten. Kultur als Sicherungsort. Freundliche Irritationen im Marine-Museum, museales Erstaunen im „International Spy Museum“ und beglückende Seherfahrungen im Smithsonian. Kunst ist toll. Und tröstet.

Im Herzen der Hauptstadt ist viel Grün, mehr Landschaft als Park, mittig durchsetzt von natioTelefonbilder_September2016 1115nalem und vor allem militärischem Gedenken. Da stapfen wachsame Soldaten des Koreakriegs durchs Unterholz, Vietnamkämpfer in Bronze stehen Wacht. Anrührend ist tatsächlich die schwarzglänzende, in den Boden versenkte Wand des Vietnam-Memorials. Kein nationalstaatlicher Schnickschnack, nur Namen. Tausende von eingravierten Namen. Und bis heute kommen Angehörige, pausen die Namen ihrer gefallenen Verwandten ab, hinterlassen Nachrichten für getötete Kameraden. “To the Four Left Behind” steht auf dem Umschlag. Hier haben Trauer und das namenlose Entsetzen einen Raum, viel mehr als in den mit Flaggen und Fahnen bestückten Heroisierungsräumen, wie etwa Bush’s World War II Monument, das fast nahtlos an die Ästhetik von Mussolinis faschistischer Kunststadt EUR anknüpft.Telefonbilder_September2016 1097Telefonbilder_September2016 1096

Neulich in Klagenfurt

Bei Klagenfurt fallen einem natürlich Ingeborg Bachmann und Robert Musil ein. Literatur ist hier jedoch eine Werktags-Angelegenheit. Samstag und Sonntag ist das Musil-Museum geschlossen. Auch das Ingeborg-Café hat sonntags zu. WenigMusil-Café KLagenfurt 2015stens das Musil-Café hat geöffnet. Dichters Konterfei auf der Karte, rauchgeschwängerte Luft, eine Räucherbude. Der Tresen besetzt von Biertrinkern. Die mitgebrachten Literatur-Bilder im Kopf passen nicht zum Ort. Und Frau allein mit Buch vor Kaffee passt wohl auch nicht zum Ort.

„Grüß Gott ich bin der Jörg und das ist der Roman“ kommt das Gesprächsangebot vom Nebentisch. Nachdem man sich kurz über den Ausländerstatus versichert hat (Woher? Aus Hannover?) rutscht „der Jörg“ näher, lächelt (okay, es war wohl eher ein Grinsen) und sagt: „Hannover kenne ich, da kommt die Teresa Orlowski her, ich habe mal in derselben Branche gearbeitet wie die.“ Stutzige Denkpause. Äh, Orlowski… oh! Und jetzt habe ich erst recht falsche Bilder im Kopf. Zuviel Information! Im Musil-Café in Klagenfurt.

Der Lindwurm

Kärnten gehört nicht wirklich zu Österreich, glaube ich. Zumindest scheint es ein Problem mit der K&KTelefonbilder_Dezember_2015 110-Geschichte zu geben. Wohl thront Maria-Theresia auf dem zentralen Platz in Klagenfurt. Aber von der gegenüberliegenden Platzseite speit sie ein Drache an. Zwar nur mit Wasser, aber er speit!

Auf meine Frage, was es denn mit dem monumentalen Drachen auf sich habe, korrigieren die Studentinnen am Café-Tisch im Lindwurm KLagenfurtChor: „Aber das ist doch der Lindwurm!“ Aha. Für mich ist das ein Wort, das in Märchen wohnt. Nicht so in Klagenfurt. Da thront der Lindwurm auf dem Rathausplatz und auf Torten. Und er ist kein Drache!

Alpenländische Rundfahrt

Die Österreicher haben mitunter einen etwas speziellen Umgang mit ihrer Landesgeographie. „Im Raume lesen wir die Zeit“, schrieb Karl Schlögel. Im österreichisch-geographischen Raum lassen einen die Bahnstreckenplaner Zeit im Wortsinn erFAHREN: Der Zug zum Wiener Flughafen fährt ab Klagenfurt über Salzburg nach Wien. Das ist etwa so, als ob man von München über Berlin nach Stuttgart führe. Eine ordentliche Runde also.  „Aber naa!“ retourniert der österreichische Begleiter. „Wir Österreicher sind touristenfreundlich. Rundfahrt muss sein!“ Klar, muss sein!

Ein Schiff… unterwegs 2

Dass Nordsee auch „Mordsee“ sein könne, kalauerte schon Hark Bohm. Wir haben sie auf der Überfahrt nach Cuxhaven aber sehr ruhig und friedfertig erlebt. Und auch wenn die ozeanische Weite arg domestiziert und gut sichtbar stets von Ufer begleitet wTelefonbilder_Dezember_2015 884ar, so stellte sich doch ein Gefühl von Großer Fahrt  und Großer Freiheit ein. Und wo geht’s hier bitte nach Amerika – oder mindestens nach England? Als dann ein unvermittelter Wellenschlag das Flachbodenschiff (ohne Kiel) gewaltig ins Schlingern und die Jungs am Ruder (immerhin hat Sascha das Seglerpatent) gewaltig ins Schleudern brachte, hob der Hochseekapitän nur gelassen seine Tasse (um größere Überschwemmungen zu vermeiden) und meinte lakonisch „ja, das sind dann so die Feinheiten“.

Ein Schiff wird kommen…. unterwegs1

Telefonbilder_Dezember_2015 922Meine Großmutter hat stets behauptet, wir seien mit Klaus Störtebecker verwandt. Mir gefällt die Idee, echte Freibeuter-Gene zu haben. Und vielleicht erklärt das auch meine übergroße Begeisterung für alles Maritime. Und wenn dann noch ein Lieblingsmensch mit der wunderbaren Idee um die Ecke kommt, ein veritables Schiff kaufen zu wollen und selbiges zum Kulturschiff umzubauen, produziert die Begeisterung funkelndes Feuerwerk.

Also: Das Clubschiff Cäcilie, Jahrgang 1913, war gekauft und sollte im April 2015 auf dem Wasserweg von Kiel über die Nordsee, Weser und Aller bis nach Celle geschippert werden. An Bord: Der frischgebackene „Reeder“, seine drei (reichlich erwachsenen) Söhne und vier gestandene Seebären mit jeder Menge Seemannsgarn im Gepäck.

In Brunsbüttel vor der großen Schleuse nahmen die Kerle mich an Bord. Abends gab es Matjes, Bier und Shanties, begleitet von Hannes mit dem Akkordeon. So Hans-Albers-Nostalgie-Dinge eben. Und Geschichten von den Weltmeeren, etwa so: „In der Karibik  habe ich deutsche Weihnachtslieder gesungen, mit frei erfundenem Text und die waren trotzdem begeistert“; oder so:  „Vor der Biskaya, bei rauer See, da hieß es plötzlich, mein „Moses“ sei über Bord! Wir sind verzweifelt  eine Stunde an der Stelle gekreuzt, dann hat ihn jemand in einer Ecke im Laderaum entdeckt, halbtot vor Seekrankheit“.

Morgens gab es dann für mich echte Wunschtraumerfüllung: Wir beim Frühstück auf derTelefonbilder_Dezember_2015 581 Brücke (der „Reeder“ hatte frische Brötchen geholt), gucken raus auf den Kai – auf dem die Flaneure neidvoll auf das Schiff gucken, so wie ich sonst immer, mit dem Gedanken „haben die es gut! Da würde ich auch gern sein!“. Manchmal ist Triumph großartig!

“Verdauungsmanagement” in Garda

Telefonbilder_Dezember_2015 359Fünf Leute am Kaffeetisch, Cappuccino vor dem Baden, der frühe Sommertag ist warm, der Gardasee funkelt angemessen, blaugraue Berge ringsum, die Touristen flanieren und eine Wespe versucht, sich in der Limonade zu ersäufen. Alles ganz normal an einem italienischen Urlaubstag. Wir gucken den Touristen zu und freuen uns, dass unsere Bleibe – Giardino Futuro in Pesina – uns das Gefühl gibt, hier ein bisschen einheimisch zu sein. Immerhin treffen wir uns hier seit Jahren.

Doch dann stockt das entspannte Schweigen, ein deutsches Trio betritt die Bühne, wohlgenährt und schwer bepackt, neonfarbene Warnwesten leuchten über die Promenade. Italien muss gefährlich sein, wenn das alles zur Spaziergangsausrüstung für den Altstadtbummel nötig ist.

Doch was eigentlich den Blick fängt, baumelt an einem Rucksack (der sich später als Kinder-Rückentrage entpuppt, nur war das Kind unter dem ganzen Geraffel nicht erkennbar). Ein veritabler Nachttopf. Aufbegehren gegen fremdländische Toiletten oder „Erziehung zur Sauberkeit“? Die tragen tatsächlich einen Nachttopf auf dem Rücken herum. Marion findet als erste wieder Worte: „Na, das nenne ich mal echtes Verdauungsmanagement!“

 

Rheingold

Abends in Worms: Ein Quad knattert auf die Bühne. Hagen von Tronje im Batman-Kostüm. König Etzel ist herausgeputzt wie eine Mischung aus Dschingis Khan und Ion Tiriac, die Burgunderbrüder geben die täppischen Blonden und ein Akrobat schwingt sich zirkusreif durch die Lüfte. Nibelungen? E-Gitarre, Bass und Saxophon übersetzen das mittelalterliche Epos klanglich.

In der HalbzeitpaWormsuse trinken wir uns etwas durch die feinen regionalen Weine.  „Jetzt verstehe ich, warum hier überall große, bunt bemalte Dinosaurier herumstehen“,  sagt eine Dame im Festspielgewand. „Das soll Siegfrieds Drache sein!“ Manchmal braucht es ein ganzes Festival, um das Stadtmarketing zu übersetzen.

Siegfried, der heldische Drachentöter,  tritt in dieser Aufführung nicht auf. Er ist ja schon tot als Witwe Kriemhild die burgundische Verwandtschaft an Etzels Hof lädt. Das Gemetzel am Schluss wird von grauen Gestalten getanzt, Rhythmus der Worte. Nibelungenfestspiele auf „rockig“.

Fliegender Klangteppich

Istanbul Moschee1Lichtblau der Novemberhimmel, die Luft wie ein leuchtgrauer Abglanz der Iznik-Fayencen, der blauen Kacheln. Der Freitag weitet sich zeitlos zwischen Hagia Sophia, Blauer Moschee, Firuz Aga Cami (Moschee); verwirbelt fliegende Händler, Pilger, zum Gebet Eilende, Bettler, verliebte  Paare, zankende Paare und Touristen mit ein paar nur zu erahnenden Sonnenstrahlen zu einem sinnlichen Welt-Teppich, zu einer virtuosen Klangschale, in der sich die Muezzin-Rufe aus den umliegenden Moscheen fangen, vereinen und die Seele weit machen. Gefühl: eine wilde Mischung aus pseudo-orientalischem Kindertraum von Aladin aus Tausend und einer Nacht und den Eulenspiegeliaden des Nasreddin Hodscha.

Köder & Fische

Istanbuld Brücke1  Istanbul Brücke2

Auf der Galata-Brücke bilden die Ruten der Angler ein bizarres Geäst. Dicht an dicht. Ihre Köderfische glotzen leicht blöde aus den Bechern. Köderverkäufe, fein säuberlich Istanbul Brücke 3aufgereiht. Und wir lassen uns als echte Touristen ködern: Dem vorbeieilenden Schuhputzer fällt eine Bürste aus der Kiepe, direkt vor unsere Füße. Bücken, aufheben, hinterherlaufen, Bürste zurückgeben sind eins. Wild gestikulierend dankt der ambulante Sauberkeitsmann und drängt uns einen Schuhputz auf. Als Dankeschön, so scheint es. Sprachblöde können wir uns des türkischen Wortschwalls nicht erwehren und lassen das flüchtige Schrubben über uns ergehen. Als mein Begleiter sein Hosentaschengeld zückt, greift der Schuhputzer (wir haben immerhin „Anatolien“ und „Kind im Hospital“ verstanden) einen großen Schein –  und fordert noch mehr. Verblüfft und lachend lehnen wir ab. Jetzt fällt mir auch wieder ein, was „nein“ und „danke“ heißt. Zu spät. Wir haben über 20 Euro fürs Schuheputzen bezahlt.

Aber ich finde, wir haben alles richtig gemacht: Als anständiger Tourist hat man ein Recht darauf, auch mal übers Ohr gehauen zu werden. Und als anständiger Schuhputzer aus Anatolien in der großen Stadt hat man wahrscheinlich ein Recht darauf, verträumte Touristen in der Abenddämmerung schnell mal um ein paar Euros zu erleichtern. Passt also alles.

Zur Belohnung gibt’s Balik-Ekmek, Fisch im Fladenbrot, frisch vom kleinen Fischmarkt neben der Brücke. Hier treiben auch viele Männer mit Angelruten von Stand zu Stand. Ob sie wohl auf dem Heimweg noch schnell ihren „Fang des Tages“ kaufen?

Istanbul Fischmarkt2Istanbul Fischmarkt1

Unterwegs nach Istanbul: ABM in CDG

Roissy

Charles de Gaulle Aéroport“ ist das französische Synonym für Globetrotter-Arbeitsbeschaffungsmaßnahme. Schlichtes Umsteigen ist sehr zeitintensiv. Um den Anschlussflug zu erreichen muss man gefühlte dreimal Shuttle fahren, fünf Busse nehmen, viermal die Hochbahn besteigen und mindestens siebenmal den Göttern opfern! Tagesfüllendes Programm.

Der Flughafen scheint sich wie eine Monsterkrake über halb Nordfrankreich zu erstrecken, alles grau in grau und massiv betonlastig. Beschriftungen sind als fröhliches Suchspiel angelegt und ohne solide Französisch-Kenntnisse läuft man leicht Gefahr, den Tom Hanks zu geben (der in „Terminal“ im JFK Airport New York dauerhaft strandet). … Dass dieser Pariser Flughafen nun ausgerechnet in Roissy liegt, das literarisch zu schmerzhaftem Disziplinierungsruhm gelangt ist, verwundert absolut nicht.

Unterwegs nach Istanbul…

Später November. Morgens um 5 am Flughafen Hannover. Ich erfahre von der Prosecco-Trinkerin am Nebentisch, dass man von Salat Gicht bekommt: “Weißte, das ist mit die Harnsäure, wenn de Salat und so’n Zeuchs isst, von den Tomaten schnellt die Harnsäure so nach oben!” Und schnell noch ihre Wassertablette hinuntergespült…

Immerhin reist das Militär in voller Montour auch mit im kleinen Hopper nach Paris. Ich kann mich nicht entscheiden, ob mich das beruhigen oder beunruhigen sollte, Kampfanzüge in Wüsten-Tarnoptik in winzigen Linienmaschinen. Der Mann – mit militärischen Rängen kenne ich mich nicht aus – in Blauhelm-Mission erfreut mich eine gute Stunde später nach den Landung in Paris mit dem wunderbaren Satz: “Ich wohne in der West-Sahara”.

Neulich in Oslo…

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Das Schloss mit König drin leuchtet hell von Fern über die Flaniermeile. Gemütliche Menschen, volle Straßencafés, alles wirkt sehr gelassen. Ins Trottoir sind große Messingplatten mit Ibsen-Zitaten eingelassen. Die Titel der zitierten Werke kann ich mir übersetzen, aber ohne Norwegischkenntnisse scheitere ich an den Inhalten. Scheint eine literarische Stadt zu sein… Und wir amüsieren uns in unserer völligen Unkenntnis über die Sprache: „Ledige“ Parkhäuser sind zu befahren, der Schmierstoff „Öl“ meint Bier (mit durchgestrichenem O geschrieben), „Fiskekaker“ bringen mich zum Lachen und der Tag beginnt mit einer „Frokost“. Jeg snakker ikke norsk. Oslo macht Lust auf mehr Norwegen.

Wikingeriaden

Scan_Pic0018Wenig Zeit in einem fremden Land oder einer unbekannten Kultur führt zu einem Brennglasblick, der schnelle (und natürlich völlig überzogene) pseudoethnografische Thesen produziert. Norweger sind groß. Alles Wikinger – bis auf ein paar Trolle. Das sind die Kleinen mit den lustigen Gesichtern. Und sie kuscheln gern, fassen alles an, was sich bewegt und lebt. Zumindest tun sie das in den Bars auf dem Fährschiff. Wir kommen irgendwann zu dem Schluss, dass das der Jahresausflug eines Swinger-Clubs sein müsste, so wie hier Männlein und Weiblein sich durcheinander und geschlechterübergreifend begrabbeln. Es sind aber nur Teilnehmer einer norwegischen „Country-Cruise“, die zeitgleich mit unserer Überfahrt stattfindet. Das erklärt auch die Cowboyhüte, Leder-Chaps und sonstige Wild-West-Dinge, die die Fröhlichen am Leib tragen. Dass das Kuscheln eine norwegische Kulturform ist, legt auch die begehbare Riesenskulptur von Gustav Vigeland nahe. Da wird gegrabbelt und umschlungen was das Zeug hält. Eine sehr haptische Kultur.

Der mitreisende Bruder und ich denken: Wahrscheinlich war auch die mittelalterliche Angst vor den Wikingern nur einem Missverständnis geschuldet. Die wollten nur spielen und kuscheln – und die kleinen Mittelalter“germanen“ haben das falsch verstanden, sich vor den Großen gefürchtet und zurückgehauen. Aus sprachlichem Unvermögen haben die Wikinger dann halt gemordet und gebranndschatzt. Nicht schön, aber andere Umgangsformen halt. Heute sprechen sie aber alle (tatsächlich unglaublich gutes) Englisch. Mit der Lingua Franca der Moderne kommt man überall gut durch. Keine Axt- oder Keulenschwing-Gefahr in Sicht.

Unterwegs nach Oslo

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Ich mag „Meer“ in allen Erscheinungsformen. Gern auch wild und ungestüm. Und „auf dem Wasser sein“ ist eh großartig! Das Oberdeck ist voll mit eingemummelten Schaulustigen. Trotz Sonne sorgt der Fahrtwind für Auffrischung und zerzauste Köpfe. Schön das! Netterweise tutet das schwimmende Hotel auch ganz seemännisch, als es aus der Kieler Förde ausläuft. Nebel wäre passend gewesen. Und jetzt nach Amerika schippern, sagt die Phantasie. Das Ticket sagt: Einmal Oslo und zurück.

Eine Fähre mit Übernachtungsmöglichkeit wird unversehens zum „Kreuzfahrtschiff“, wenn die innere Ausstattung ein ganz eigenes Universum vorstellt. Nicht umsonst heißt das Schiff „Color Line“. Da glimmert und glitzert es ungemein! Und natürlich kann allerhand Zeugs in allerhand Läden gekauft werden. Unter anderem „Polar-Snack“, getrocknete Fischstückchen, die nur mit viel Bier durch den Hals gehen. Dann aber gut. Ein Essen, dem man die Einsamkeit dunkler, kalter Nächte in wenig besiedelten Gebieten anschmeckt.

Draußen ziehen Schiffe vorbei und Inseln, deren Namen wir nicht kennen. Südländisch geprägte Unkenntnis der Reisenden, die sich auch nicht durch einen Blick auf die Schiffsroute beheben lässt. Ist das nun Dänemark da draußen oder schon Schweden? Und wo fängt Norwegen an? Wieso ist da überhaupt so viel Land? Wir kommen uns etwas blöde vor und gucken weiter ganz entspannt auf die Ostsee, die sich zum Abend hin mit einem hübschen Sturm und einem veritablen Gewitter schmückt.

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Unterwegs nach Verona…

Unterwegsworte – begannen als Kurznachrichten, die auf Reisen entstehen. Von unterwegs an Freunde verschickt.

15.8. 2014 Per Bahn nach Verona: Die Greise in meinem Abteil sind mutig. Sie essen Eierbrote. Vielleicht sind sie aber auch nur nasentaub (oder heißt das schwerriechig?). Überhaupt sind diese unnötigen Sechs-Personen-Abteile für taub-blinde, kurzbeinige Märchenzwerge konstruiert. Anderswer kann das nämlich nicht wirklich ertragen! Warum die Bahn mich in sowas steckt, obwohl ich immer und ausschließlich Großraum bestelle, ist mir ein Rätsel!

Es gibt Eierbrot-Regeln, und die 1. lautet: Nie im vollbesetzten Bahnabteil essen, wenn man nicht genug Eierbrot für alle hat! Eiergeruch für alle ist kein akzeptabler Ersatz!

Ich fahre südwärts durch trübes Regenland. Immer, wenn es landschaftlich hübsch zu werden verspricht, haben sie das Land untertunnelt. Gefühlte 70 % der Strecke sind unterirdisch. Ankunft Verona heute Abend 20:56.

13:55 Ab Augsburg wird es fremdländisch. Die Durchsage der kommenden Stationen erfolgt in wunderbar weißwurstigem Oberbayerisch. Irritierte Blicke bei den Mitreisenden, hysterisches Gekicher bei den Hamburger Deerns im Nebenabteil, die sich das erstmal übersetzen müssen. Am Horizont zeigen sich erste Berge. Hirschgeweihe an den Hauswänden.

15:45 Rosenheim: Zwiebeln türmen himmelwärts, Berge halten sich am Echo fest. Verirrte Wolkenfetzen haben sich in den Wipfeln verfangen wie sommerliche Vorboten des ersten Schnees.

Ich genieße die Aussicht auf Gebirge! Endlich! Himmelstürmend…

Dämmerung: Aufwachen in Bozen, das nun natürlich Bolzano heisst. Eine freundliche Nonne guckt ins Abteil, italienisch.

BolzanoNonne

Der Tag schwindet und ich habe die Berge so ziemlich verschlafen. Die Abteilsprache hat sich von Deutsch längst ins Italienische verschoben. Erste Sprachübungen mit dem Schaffner, das eingerostete rollende R abstauben. Urlaub im Ohr! Und gerade kommt die Nachricht:  in Verona wird mich Susanne am Bahnhof abholen.

 

Neulich in Garda…

Es gibt viele gute Gründe, an der Promenade von Garda entlang zu flanieren. Das Wetter, vista sul lago, um die Einkaufsbeute aus den Gassen spazieren zu tragen, sehen und gesehen werden, die Suche nach einem Platz im Café. Oder aber das Gassiführen eines jener kleinen dünnen Hunde, die bei kleinen, dünnen, englischen Blondinen (und nicht nur bei diesen) so beliebt sind. Arg viel weiter als einen Promenaden-auf-und-ab-Gang würde es das zarte Tierchen wohl kaum schaffen.

Auf den klassischen Zweck von Gassigängen sind die kleinen, dünnen Engländerinnen gut vorbereitet. Bei hündlicher Geschäftsverrichtung wird prompt der Hundekackabeutel gezückt. Nicht vorbereitet sind indes die Promenadenkaffeehaussitzer auf die gewaltige Gestankswolke, die einem solch kleinen Tier entweichen kann. Und die hängt noch schwer in der Luft, als Hündchen und Halterin mit dem wohlgefüllten Beutel längst weiter gelaufen sind. Windstiller Tag eben. Und dann der Gedanke, wie ulkig ein solcher Promenadengang sein muss, mit einem lauwarmen Beutel Scheiße (mit Verlaub) in der Hand.

Es gibt sicher auch viele gute Gründe, ohne Hund am Ufer des Gardasees zu flanieren!